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Baskische Gewerkschafter rufen zum aktiven Wahlboykott der spanischen Parlamentswahlen am 9. März 2008 auf. Musiker und weitere soziale Gruppen schliessen sich an. Eine Delegation aus Mitgliedern verschiedener europäischer Länder trifft zur Beobachtung der Situation vor und während der Wahl im Baskenland ein:

Nicht einmal ein Minimum an demokratischen Bedingungen

von Uschi Grandel, 6. März 2008

Mehr als dreissig Gewerkschafter der baskischen Gewerkschaften ELA, LAB, ESO, HIRU, STEE-EILAS und EHNE, darunter der ehemalige Generalsekretär der ELA Alfonso Etxeberria, haben in einem persönlich unterzeichneten Aufruf an die baskische Gesellschaft zur aktiven Wahlenthaltung bei den spanischen Parlamentswahlen am 9. März 2008 aufgerufen.

Sie verurteilen die systematischen Angriffe auf elementare Bürgerrechte und politische Rechte, denen eine wachsende Zahl baskischer Bürger und Organisationen in den letzten Jahren ausgesetzt war und ist. Die Suspendierung und das Verbot von Parteien, sowie die immer schärferen Unterdrückungsmassnahmen haben dazu geführt, dass ein signifikanter Teil der baskischen Gesellschaft keine politischen Optionen hat und damit politisch rechtlos ist.

In einer Veranstaltung in Donostia (San Sebastian) begründen sie vor vierhundert Gewerkschaftsmitgliedern ihren Aufruf. Der Generalsekretär der Transportgewerkschaft HIRU, Patxi Agirre, macht seine politische Position in Anspielung auf die Herkunft der Mitglieder seiner Gerkwerkschaft deutlich: "Wir sind nicht bereit, die Last der Unterdrückung und der Massnahmen gegen das Baskenland zu tragen".

"Stoppt den Ausnahmezustand - Wahlenthaltung!"

Baskische Gewerkschafter begründen ihren Aufruf zur aktiven Wahlenthaltung für die anstehenden spanischen Parlamentswahlen am 9. März 2008.
( >>>> s. GARA, 6.3.2008, in spanischer Sprache)

Der Präsident der EHNE aus (der baskischen Provinz) Gipuzkoa, Iņaki Lasagabaster, ruft in Erinnerung, wie sich die Bauern von Zuberoa im 17. Jahrhundert gegen erdrückende Steuerlasten und die damit einhergehende Entrechtung gegen französische Truppen zur Wehr gesetzt hatten. Er fordert alle diejenigen, die heutzutage demokratische Rechte des Baskenlandes verteidigen wollen, auf, sich an der Kampagne für aktive Wahlenthaltung zu beteiligen.

In der Lehrergewerkschaft STEE-EILAS sind Lehrer verschiedenster politischer Überzeugung organisiert. Die Gewerkschafterin Arantza Urkaregi betont jedoch, dass sich alle Mitglieder einig darin seien, "das Recht eines jeden/einer jeden zu verteidigen, seinen/ihren politischen Aktivitäten unbehindert nachzugehen." Urkaregi betont, dass die anstehende Wahl zum spanischen Parlament dies nicht zulasse und dass die PSOE Regierung unter Zapatero im Baskenland damit einen Ausnahmezustand geschaffen habe.

"Apartheidspolitik gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung"

Der Sprecher der Gewerkschaft ESO, Fernando Bilbao, kritisiert die Haltung der verbleibenden zur Wahl zugelassenen baskischen Parteien PNV, EA, Aralar und NaBai, die auch zur Wahl antreten, als "verletzend und unwürdig, weil sie nichts tun, um die Situation zu ändern. Sie wollen lediglich unsere Stimmen."

Auch der Generalsekretär der LAB, Rafa Díez, ruft zur aktiven Wahlenthaltung auf. Er nennt die repressiven Massnahmen der spanischen Regierung, mit denen sie alle Organiationen und Einzelpersonen der baskischen Unabhängigkeitsbewegung, seien es soziale Initiativen, Zeitungen, Kulturgrupppen oder politische Parteien, verfolgt, "eine Apartheidspolitik gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung, ein politisches Guantanamo gegen die linke baskische Bewegung. Man kann nicht auf der einen Seite über die Verletzung elementarer Rechte reden und auf der anderen Seite diese Situation durch Teilnahme unter den Rahmenbedingungen, die die spanische Regierung vorgegeben hat, beschönigen."

Tatsächlich ist ein wachsender Teil der über 700 politischen baskischen Gefangenen nicht wegen konkreter Anschuldigungen in Haft, sondern nach dem Prinzip, dass jeder, der das Ziel der baskischen Unabhängigkeit verfolgt - mögen die Mittel auch ausschliesslich demokratisch und legitim sein - zum Umfeld der ETA zu zählen und als Terrorist zu behandeln sei.

Rockmusiker, Immigranten und Senioren

Auch andere gesellschaftliche Gruppen schliessen sich dem Protest an. Seniorengruppen aus Nafarroa (Navarra) haben die baskische Bevölkerung zu einer Geste der Rebellion aufgerufen: wer sich heute der Wahl enthalte, öffne damit morgen den Weg zur Demokratie.

Anitzak, eine Initiative von Immigranten, die im Baskenland leben, haben ebenfalls zur demokratischen Lösung des Konflikts aufgerufen und die Angriffe auf Bürgerrechte und politische Rechte verurteilt. Deutsche Mitglieder von Anitzak haben heute eine Protestaktion vor dem deutschen Konsulat in Bilbao durchgeführt, um in ihrem Heimatland ein Bewusstsein für die fehlende Demokratie im Baskenland zu erzeugen. Anitzak unterstützt den Prozess der Konfliktlösung durch Dialog, um eine demokratische Lösung für den politischen Konflikt zu erreichen.

Auch baskische Musiker haben sich den Protesten angeschlossen. Bekannte Rockmusiker prangern in einer öffentlichen Erklärung den Ausnahmezustand im Baskenland, die Unterdrückung, die Schliessung von Zeitungen und Radios, das Verbot von Jugendorganisationen und Parteien an. Sie wenden sich gegen die Versuche der spanischen Regierung, mit diesen Aktionen die baskische Unabhängigkeitsbewegung zum Schweigen zu bringen. Vor mehreren hundert Menschen hielten die Initiatoren der Erklärung letztes Wochenende ein Konzert in Vitoria Gasteiz.

Warnsignal für Europa

Für Europa sind die repressiven Massnahmen im Baskenland ein deutliches Warnsignal. Wie steht es um unsere Demokratie, wenn wir rechtsfreie Zonen in Mitgliedsstaaten übersehen, nur weil es unseren eigenen Regierungen nicht opportun erscheint? Angela Merkel hat in einem Treffen mit Zapatero anfang dieses Jahres auf Mallorca angekündigt, Deutschland und Spanien würden im Bereich der Terrorismusbekämpfung stärker zusammenarbeiten.

Deutliche Signale, dass im Zweifelsfall rechtsstaatliche Mittel nicht oberste Priorität haben, hat unsere Regierung schon mehrfach ausgesandt. Die Behandlung von G8-Gegnern als "terroristische Vereinigung" oder auch die Gesetzesvorlagen zu verschärften Sicherheitsgesetzen, wie der Online-Durchsuchung, die einer Überprüfung auf Rechtsstaatlichkeit durch den Bundesgerichtshof nicht standhielten, sind Beispiele für den Umgang unserer Regierung mit der Demokratie.

Es ist ein Warnsignal, dass die deutsche Bundeskanzlerin Zusammenarbeit mit Spanien ausgerechnet in einem Bereich sucht, in dem Amnesty International seit Jahren schwere Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit, darunter Folterpraktiken bei Verhören, anprangert. Erst letzte Woche hatten zwei junge Männer im Baskenland Glück im Unglück und entgingen mit knapper Not Schlimmerem. Sie erschienen auf einem Fahndungsplakat der "meistgesuchten Terroristen". Nach ersten Jubelrufen der Presse über die Verhaftung der beiden "meistgesuchten ETA-Terroristen" wurde bekannt, dass die beiden seit Wochen über einen Anwalt versucht hatten, vor dem für Terrorismus zuständigen Sondergerichtshof eine Aussage zu machen, um die Vorwürfe zu entkräften. Auch in unserer Presse wurde über diese Fahndungspanne berichtet. Was nicht berichtet wurde, ist der Hintergrund: die Namen der beiden jungen Männer hatte die Polizei offensichtlich von einem Jugendfreund der beiden unter Folter erpresst.

Gorka Lupiaņez war Anfang Dezember 2007 verhaftet worden. Er wurde von der spanischen Polizei 13 Tage ohne Kontakt zur Aussenwelt gehalten und gab an, in dieser Zeit schwer gefoltert worden zu sein.

"Sie zogen mir einen Sack über den Kopf. Sie schlugen mich, immer wieder auch in die Hoden. Einer von ihnen spannte einen Revolver und hielt ihn an meinen Kopf. Sie zogen mir eine Plastiktüte über den Kopf. Sie verschlossen sie, bis ich dachte, ich ersticke. Sie banden mich an eine Schaumstoffmatratze und steckten meinen Kopf in eiskaltes Wasser."

Auch andere Folteropfer erzählen, dass die Polizei alle Details ihres Lebens, Namen von Freunden und Bekannten, aus ihnen herausprügelte und so der Kreis potentieller Verdächtiger immer grössere Teile der baskischen Gesellschaft umspannt.

Europa Delegation zur Wahlbeobachtung im Baskenland

Die undemokratische Situation im Baskenland erregt in Europa vermehrt Aufmerksamkeit. Gewählte Vertreter der beiden vom Verbot bedrohten und von der Parlamentswahl ausgeschlossenen baskischen Parteien EAE-ANV und EHAK haben in den vergangenen Wochen auf einer Rundreise durch viele Hauptstädte Europas über die Situation im Baskenland berichtet.

Eine europäische Delegation mit Teilnehmern verschiedener Parteien, Regierungsorganisationen und europäischer Institutionen aus Finnland, Belgien, Deutschland, Schweden, Norwegen und Italien ist gestern im Baskenland eingetroffen. Sie werden sich als internationale Beobachter ein Bild von der Situation vor Ort machen und auch am Wahltag als Wahlbeobachter präsent sein.

Des weiteren hat die UIA (International Association of Lawyers) gegen das Verbot der beiden baskischen Parteien protestiert. Europäische Rechtsanwälte der Organisation haben bekanntgegeben, dass sie die Massnahmen im Lichte europäischer und internationaler Rechtsprechung analysieren wollen.

Neue Spanische Regierung muss die Botschaft aus Irland hören

Nach dem Besuch baskischer Vertreter im nordirischen Parlament in Stormont bei Belfast schreibt Jim Gibney, ein langjähriger Sinn Fein Politiker in der Irish News vom 28. Februar 2008 :

Zapatero scheint so dumm zu sein zu glauben, dass die Lösung des politischen Konflikts zwischen Spanien und dem Baskenland mit militärischen Mitteln zu spanischen Bedingungen diktiert werden kann. Obwohl das spanische Militär dies seit Jahrzehnten vergeblich versucht. ...

Vor drei Wochen besuchte eine Allparteien-Delegation aus dem Baskenland das (nordirische) Parlament in Stormont, um sich über den Friedensprozess hier zu informieren. Sie haben widersprüchliche Berichte von Unionisten und Nationalisten über die letzten 15 Jahre des Friedesnprozesses gehört und darüber, wie dieser Prozess zu den neuen politischen Institutionen führte.

Trotzdem gaben wir ihnen eine optimistische Botschaft mit auf den Weg: wenn der Konflikt in Irland zu einem gerechten Ende gebracht werden kann, wird dies für den Konflikt im Baskenland ebenfalls möglich sein.

In einigen Wochen wird es eine Parlamentswahl in Spanien und im Baskenland geben. Eine neue Regierung wird gewählt. Diese Regierung muss die Botschaft aus Irland hören und verstehen.


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