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Urteile im Massenprozess 18/98: "politische Urteile, die die Justiz diskreditieren"

Selbst die baskische christdemokratische PNV, schwerlich der Unterstützung der linken Unabhängigkeitsbewegung verdächtig, bezeichnet die Urteile als "politische Urteile, die Teile der Justiz diskreditieren". Ihr Sprecher fährt fort: "Dieses Verfahren, das unter der Regierung von Jose Maria Aznar begann, ist ein deutliches Beispiel für ein Verfahren, das politisch motiviert ist und sich auf solch zweifelhafte Gesetze, wie das Parteiengesetz stützt, die international umstritten sind." (GARA, 19.12.2007, SENTENCIA DEL 18/98: REACCIONES, spanisch)

Im folgenden finden Sie zwei Artikel von Ingo Niebel aus der Jungen Welt: den aktuellen Bericht zum Urteil, sowie ein Interview vom Mai 2007 mit der Journalistin Theresa Todo, angeklagt wegen ihrer Rolle als stellvertretende Direktorin der Zeitung Egin. Theresa wurde nun zu 12 Jahren Haft verurteilt.

Im Anschluss an die Artikel finden Sie die Übersicht über die Strafen gegen die 52 Angeklagten: 47 Gefängnisurteile und 5 Freisprüche. Insgesamt 525 Jahre Haft, ohne auch nur eine einzige konkret nachgewiesene Straftat begangen zu haben.


500 Jahre Haft für 46 Basken

Spanisches Sondergericht verurteilt Aktivisten wegen Zusammenarbeit mit der Untergrundorganisation ETA

Ingo Niebel, Junge Welt, 20. Dezember 2007

Das spanische Sondergericht für Terror- und Drogendelikte, die Audiencia Nacional, hat 46 baskische Aktivisten zu Haftstrafen zwischen vier und 24 Jahren verurteilt. Sechs Beschuldigte wurden freigesprochen. Damit endete am Dienstag nachmittag vorläufig das größte Gerichtsverfahren, das die spanische Justiz gegen das »Umfeld« der Untergrundorganisation ETA (Baskenland und Freiheit) geführt hat, mit Gesamtstrafen von rund 500 Jahren. Als die Urteile in dem Madrider Gerichtsgebäude verkündet wurden, hoben die Angeklagten die Fäuste und stimmten das Kampflied der baskischen Soldaten aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs an. Richterin Angela Murillo ließ den Saal daraufhin räumen. Die 46 nun Verurteilten waren vor erst drei Wochen festgenommen worden. Drei Angeklagten gelang damals die Flucht.

Der Megaprozeß geht unter seinem Aktenzeichen 18/98 in die spanische Justizgeschichte ein – nicht nur wegen der Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit. Für den 72jährigen Angeklagten José Luis Elkoro bedeuten die 22 Jahre Haft wohl lebenslänglich. Das Urteil illegalisiert auch weite Teile der baskischen Unabhängigkeitsbewegung. Denn das Verfahren richtete sich gegen Aktivisten, die in vier linken Organisationen gewaltfrei versucht haben, ihre politischen Ziele umzusetzen. Trotzdem gelten die Gruppierungen nun als zivile Frontorganisationen der ETA.

Das Gericht sah es als erwiesen an, daß die Gruppe Ekin (Machen) eine Nachfolgeorganisation der schon früher verbotenen sozialistischen Koordination (KAS) ist. Die KAS hatte die politisch-kulturelle Arbeit der linken Unabhängigkeitsbewegung koordiniert. Die zweite Organisation, Xaki, wollte international über die Zustände im Baskenland aufklären. Die Tageszeitung Egin – mit einer Auflage von 55000 Exemplaren und 160000 Lesern täglich – wird ebenfalls als Teil der ETA diffamiert. Wegen Zusammenarbeit mit der Untergrundorganisation wurden schließlich die Mitglieder der Stiftung Zumalabe verurteilt. Sie hatte den zivilen Ungehorsams als politisches Mittel propagiert.

In den vergangenen Wochen hatten Zehntausende Basken gegen den Megaprozeß demonstriert.


»Man wirft uns Zusammenarbeit mit ETA vor«

Megaprozeß gegen 50 Mitglieder der baskischen Linken dauerte 16 Monate. Urteil ist noch immer nicht gesprochen. Ein Gespräch mit Teresa Toda

Junge Welt, Interview: Ingo Niebel, 28. Mai 2007

Die Journalistin Teresa Toda ist Angeklagte im sogenannten Megaprozeß Az. 18/98, der im März in Madrid zu Ende ging. Ein Urteil liegt bis heute nicht vor. Das Sondergericht wirft den 50 Angeklagten Zusammenarbeit mit der Untergrundorganisation ETA (Baskenland und Freiheit) vor.

Sie sind mit 50 weiteren Basken im sogenannten »Megaprozeß 18/98« angeklagt. Was ist das für ein Verfahren?
Es war von Anfang an ein politischer Prozeß gegen die baskische Linke. Die spanische Regierung und die Staatsanwaltschaft beschuldigen uns der Mitgliedschaft oder Zusammenarbeit mit der Untergrundorganisation ETA (Baskenland und Freiheit). Sie wollen unsere Arbeit delegitimieren und die Leute einschüchtern. Der Prozeß richtete sich gegen die Zeitung Egin, gegen EKIN, die die politische und kulturelle Arbeit strukturierte, gegen die Stiftung Joxemi Zumalabe, die die sozialen Bewegungen vernetzte, und gegen die internationale Informationsarbeit von XAKI.

Weshalb wurden Sie angeklagt?
Ich war zweite Chefredakteurin von Egin. Den Chefredakteur und mich beschuldigt man, »im Dienste der ETA« gestanden zu haben. Wir konnten beweisen, daß der Gebrauch von Kleinanzeigen zwecks Übermittlung von Informationen nicht der Chefredaktion angelastet werden kann. Damit reduziert sich die Anklage auf das rein Ideologische: Wir hätten die Ideen der ETA unterstützt. Aber nur weil wir vielleicht dasselbe denken, heißt das noch lange nicht, daß wir auch gleich handeln.

Der Prozeß hat 16 Monate gedauert. Wie haben Sie ihn erlebt?
Dieser Prozeß hat 500 Kilometer entfernt von unseren Wohnsitzen stattgefunden. Wir waren 50 und mußten jede Woche für drei Tage nach Madrid fahren. Dabei haben wir eine Strecke von 54000 Kilometern zurückgelegt. Wir haben ausgerechnet, daß die direkten Kosten für uns alle bei monatlich 20000 Euros lagen, mit dem Lohnausfall und den Anwaltshonoraren stiegen sie auf 40000 Euro. Wir haben das nur durch die breiten Solidaritätskampagnen im Baskenland durchgehalten.

Während des Prozesses sind Angeklagte gestorben, andere wurden Eltern...
Der älteste Angeklagte ist 72 Jahre alt, der jüngste 34. Zwei von uns wurden Eltern, fünf haben Vater oder Mutter verloren, einer sogar beide. Der im Baskenland sehr bekannte Aktivist Jokin Goristidi starb an einem Herzinfarkt, als er seine Aussage vorbereitete. Andere machte der Streß krank – aber wir alle haben durchgehalten.

Im Fall Egin benutzt die Anklage dieselben Beweise wie bei der Zeitung Egunkaria, und dort hat man das Verfahren eingestellt.
Die Verteidigung besaß nicht dieselben Waffen wie die Anklage. Beweise galten lange als »geheim«, und unsere Anwälte konnten sie nicht einsehen. Dann tauchten auf einmal 100000 Dokumente auf, die verfahrenswidrig in den Prozeß eingebracht wurden. Im Fall von Egunkaria hat man Beweise als unbrauchbar eingestuft, aber unser Staatsanwalt benutzt sie weiter gegen Egin. Die Gutachter im Verfahren waren dieselben Polizisten, die die Beweisermittlungen durchgeführt haben. Die Polizisten wissen, daß ihr Wort Gesetz ist, und sie können machen, was sie wollen. Unsere Anwälte haben um die 100 Einsprüche eingelegt – aber keinem wurde stattgegeben.

Welcher Strafe hat der Staatsanwalt für Sie gefordert?
Sieben Jahre Haft wegen Zusammenarbeit mit ETA. Und eine Geldstrafe, für die ich einen Kredit aufnehmen müßte – oder ins Gefängnis muß. Der Staatsanwalt hält die Anklage gegen alle aufrecht, obwohl einigen nichts mehr angelastet werden kann.

Für wann rechnen Sie mit dem Urteil?
Bei der Komplexität des Verfahrens bräuchten sie eine Menge Zeit. Da die Lage angespannt ist, werden sie das Urteil vor dem Sommer fällen. Das Gericht befindet sich in einer Zwickmühle: Für eine Verurteilung fehlen die Beweise, ein Freispruch ist aus politischen Gründen nicht möglich.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft?
Gelassen. Ich lebe ja schon fast neun Jahre in eingeschränkter Freiheit, muß mich bei der Polizei melden, den Kredit für meine Kau­tion abbezahlen. Wenn ich jetzt ins Gefängnis muß, dann ist es besser, daß ich mich darauf einstelle. Es gibt genügend zu tun. Und es bleibt immer noch die Hoffnung, daß der Lösungsprozeß voranschreitet und alles besser wird.


Liste der Verurteilten und der Urteile im Massenverfahren 18/98 (GARA, 19.12.2007, SENTENCIA DEL 18/98, spanisch)

Namen Strafe aktuelle Situation
*Jose Luis Elkoro 24 años de cárcel y 34 meses de multa. Libertad sin fianza
Xabier Alegria 18 años de cárcel y 34 meses de multa En prisión
Joxean Etxeberria 17 años y 6 meses, y 34 meses de multa En prisión
Karlos Trenor 17 años de cárcel y 34 meses de multa En prisión
Ruben Nieto 14 años de cárcel En prisión
Txema Matanzas 14 años de cárcel En prisión
Bigarren Ibarra 13 años de cárcel En prisión
Joxe Mari Olarra 13 años de cárcel En prisión
Elena Beloki 13 años de cárcel En prisión
Mikel Egibar 13 años de cárcel En prisión
Juan Mari Mendizabal 13 años de cárcel En prisión
Txente Askasibar 13 años de cárcel En prisión
Inma Berriozabal 12 años de cárcel En libertad
Jabier Salutregi 12 años de cárcel En prisión
Iker Beristain 12 años de cárcel En prisión
Andoni Diaz 11 años de cárcel En prisión
Xabier Balantzategi 11 años de cárcel En prisión
Ana Lizarralde 11 años de cárcel En prisión
Imanol Iparragirre 11 años de cárcel En prisión
Iker Casanova 11 años de cárcel En prisión
Joxe Garcia Mijangos 11 años de cárcel En prisión
Natale Landa 11 años de cárcel En prisión
Olatz Egiguren 11 años de cárcel En prisión
Juan Pablo Dieguez 11 años de cárcel En prisión
Mikel Korta 11 años de cárcel En prisión
Patxi Gundin 11 años de cárcel En prisión
Paul Asensio 11 años de cárcel En prisión
Miriam Campos 11 años de cárcel En prisión
Xabier Arregi 11 años de cárcel En prisión
Nekane Txapartegi 11 años de cárcel En libertad
Iñaki O'Shea 10 años de cárcel y 24 meses de multa En prisión
*Isidro Murga 10 años de cárcel y 24 meses de multa En prisión
*Patxo Murga 10 años de cárcel y 24 meses de multa En prisión
Teresa Toda 10 años de cárcel y 24 meses de multa En prisión
Fernando Olalde 10 años de cárcel y 24 meses de multa Libertad bajo fianza
Mikel Zuluaga 10 años de cárcel y 24 meses de multa En libertad
*Jexux Mari Zalakain 9 años de cárcel y 21 meses de multa En prisión
Pablo Gorostiaga 9 años de cárcel y 21 meses de multa En prisión
Manu Intxauspe 9 años de cárcel y 21 meses de multa En prisión
Mikel Aznar 9 años de cárcel y 23 meses de multa En prisión
Olatz Altuna 9 años de cárcel y 23 meses de multa En prisión
Sabino Ormazabal 9 años de cárcel y 23 meses de multa Libertad bajo fianza
Mario Zubiaga 9 años de cárcel y 23 meses de multa Libertad bajo fianza
Alberto Frias 9 años de cárcel y 23 meses de multa Libertad bajo fianza
Iñaki Zapiain 4 años de cárcel y 24 meses de multa Libertad bajo fianza
Xabier Otero 4 años de cárcel y 24 meses de multa Libertad bajo fianza
Joxerra Antxia 2 años de cárcel En libertad
Jaime Iribarren Absuelto En libertad
Marta Pérez Absuelta En libertad
Oiakue Azpiri Absuelta En libertad
Maite Mendiburu Absuelta En libertad
David Soto Absuelto En libertad
*Se les declara a Jose Luis Elkoro, Patxo Murga, Isidro Murga y Jexux Mari Zalakain responsables solidarios de una indemnización de 1.734.277,34 euros


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