02.04.2000
Den Frieden in Nordirland sichern helfen
Delegation soll im September Aktivisten vor Ort besuchen

Nordirland ist seit Anfang Februar 2000 wieder in die Schlagzeilen geraten, nachdem die britische Regierung die erst Ende November 1999 gebildete nordirische Allparteienregierung suspendiert hat. Diese erste demokratisch gewählte Regierung hatte sich in der kurzen Zeit ihres Bestehens zum Motor des Friedensprozesses entwickelt und innerhalb weniger Wochen Achtung und Akzeptanz in der nordirischen Bevölkerung gewonnen. Die Suspendierung hat die bisher schwerste Krise des Friedensprozesses ausgelöst.

Nordirland ist von einer normalen Gesellschaft noch weit entfernt. Eine der kolonialen Altlasten ist das militant pro-britische und anti-irische Selbstverständnis der Royal Ulster Constabulary (RUC, militarisierte Polizeitruppe) sowie ihre enge Verflechtung mit gewalttätigen antikatholischen Organisationen, den Oranierorden und den loyalistischen (königstreuen) Terrorgruppen.

Staatliche Gewalt gegen Irische Nationalisten, Republikaner oder einfache Katholiken landet selten vor Gericht. So gibt es bis zum heutigen Tage keine Aufklärung der Ereignisse des Bloody Sunday 1972, als Britische Fallschirmjäger 14 unbewaffnete Teilnehmer einer Bürgerrechtsdemonstration erschossen. Im Januar 2000 ließ das Britische Verteidigungsministerium mehrere Dutzend derjenigen Waffen vernichten, die am Bloody Sunday von der Armee benutzt wurden. Der neuen Untersuchungskommission, die im März ihre Arbeit aufnimmt, wird dies die Wahrheitsfindung nicht erleichtern. "Truth, Justice, Healing" (Wahrheit, Gerechtigkeit, Heilung) war das Motto und die Forderung der zwanzigtausend diesjährigen Bloody Sunday Demonstranten in Derry am 30.01.2000, die im Unwillen, die Vergangenheit aufzuarbeiten, Vorboten neuer staatlicher Gewaltbereitschaft sehen. Mit der Krise des Friedensprozesses mehren sich besorgte Stimmen aus den kommunalen Konfliktzentren: die Zeichen für die Märsche der Oranierorden im Sommer stehen auf Sturm.

Während in Derry, einer zu 80 Prozent von irischen Nationalisten bewohnten Stadt, im Dezember letzten Jahres zum ersten Mal ein Kompromiss für den Marsch eines lokalen Oranierordens gefunden wurde, weigern sich Oranier Orden in Portadown oder in Belfast, mit den betroffenen Anwohnern überhaupt zu reden.

Etliche Aktionen der Britischen Regierung der jüngsten Zeit, z.B. die Art der Neubesetzung der zuständigen Kommission und auch die enorme Militärpräsenz, wecken den Verdacht, die Regierung wolle Durchmärsche der Oranierorden durch irische nationalistische Wohngegenden notfalls mit Gewalt erzwingen. Die Betroffenen wehren sich. Sie haben eine Delegation ausländischer Beobachter eingeladen, um Kontakte zu schaffen zu den vielen kommunalen Gruppen, die sich mit Energie, Mut und unkonventionellen Ideen für ihr Recht auf Demokratie, Menschenwürde und Gerechtigkeit einsetzen.

Die Betreuung der Delegation übernimmt das 1989 gegründete und in Nordirland ansässige Pat Finucane Center. Der Rechtsanwalt Pat Finucane wurde vor 11 Jahren von einer royalistischen Terrorgruppe ermordet. Die Spuren dieses Mordes weisen so eindeutig auf eine Verstrickung von RUC und Britischem Geheimdienst hin, dass neben Amnesty International und British Human Rights Watch inzwischen auch die irische Regierung die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission fordert.

Zur Vorbereitung der Reise, die für den September 2000 geplant ist, bietet die Save the Good Friday Agreement Coalition (Regensburg) in Zusammenarbeit mit der Irlandinitiative Heidelberg die Möglichkeit, sich in Nordirland  über die aktuelle Situation  zu informieren. Kosten für Reise und Unterbringung müssen von den Teilnehmern selbst getragen werden.

Uschi Grandel

Save the Good Friday Agreement Coalition


Interessierte wenden sich bitte an die Irlandinitiative Heidelberg, Kastanienweg 33, D-69221 Dossenheim, webmaster@irlandinit-hd.de

Fragen Sie auch bei der Gesellschaft für bedrohte Völker Südtirol an, ob von der GfbV eine eigene Delegation zusammenkommt (Lauben 49, I-39100 Bozen, Tel./Fax 00390471/ 972240, gfbv.bz@ines.org

Weitere Informationen bieten die Homepages des Pat Finucane Centres (www. serve.com/pfc/index.html) und der Save the Good Friday Agreement Coalition (members.tripod.com/SavetheGFA/index.htm).  

Dieser Artikel erschien in der März 2000-Ausgabe von Pogrom, der Monatszeitschrift der Gesellschaft für bedrohte Völker.