Die deutsche Irlandsolidarität lädt ein:

Delegation zum West Belfast Festival

Nordirland, Belfast, 3. August - 12. August 2007

>>>> Download der Einladung in PDF (91 kB) <<<<

Seit 1988 verwandelt sich West Belfast jedes Jahr in der ersten Augustwoche in eine bunte Mischung aus Stadtviertelfest, internationalem Kultur- und Musikprogramm mit Künstlern aus aller Welt und politischen Veranstaltungen zur Konfliktlösung im eigenen Land und international. West Belfast ist das grösste irische Viertel in Belfast, politisch überwiegend irisch-republikanisch eingestellt. Bei der letzten Wahl erhielt Sinn Féin fast 70% der Stimmen, Gerry Adams ist seit Jahrzehnten Abgeordneter des britischen Unterhauses für West Belfast, auch wenn er diesen Sitz nicht einnimmt.

Nach dem grossen Durchbruch im Friedensprozess, der Einigung von Sinn Féin und DUP auf eine gemeinsame regionale Regierung ab 8. Mai 2007, wird das Festival dieses Jahr mehr denn je von einer politischen Aufbruchstimmung geprägt sein. Wir werden mit einer Delegation vom 6.-10. August 2007 vor Ort sein, am Festival teilnehmen, aber auch Gespräche mit politischen Parteien, Aktivisten und Community-Gruppen organisieren.

Wir laden Dich/Sie herzlich zur Teilnahme an unserer Delegation ein!

Das West Belfast Festival war von Beginn an Vorreiter im Suchen neuer Wege. Es lud schon zu Zeiten bittersten Konflikts die politischen Gegner der pro-britischen Seite zu gemeinsamen Diskussionen. Während in den früheren Jahren die politischen Vertreter des Unionismus verächtlich abgewunken haben, und oft Journalisten des unionistischen Meinungsspektrums in letzter Minute in die Bresche sprangen, folgten in den letzten Jahren UUP und DUP sehr gerne der Einladung zur Veranstaltung "West Belfast Talks Back". Sie konnten sich sicher sein, dass im Publikum mit fast tausend Zuhörern mehrheitlich irische Republikaner saßen, aber sie konnten sich ebenfalls sicher sein, dass diese ihre Gäste respektvoll und höflich behandelten.

Veranstaltungen wie das West Belfast Festival haben sich über die Jahre als wichtige Eckpfeiler des Konfliktlösungsprozesses etabliert.

Der irische Schriftsteller Hugo Hamilton las im Rahmen des Festivalevents "Scribes on the Rock" letztes Jahr in der Rock Bar an der Falls Road aus einem seiner Romane. Er schreibt über seinen vermutlich ersten Besuch in West Belfast in der Süddeutschen Zeitung vom 31. März mit dem erstaunten Blick eines Menschen, dessen bisheriges Bild von der erlebten Offenheit und progressiven Stimmung ins Wanken gebracht wird:

Im August vorigen Jahres wurde ich zu einem Festival auf der Falls Road eingeladen, und zwar von Danny Morrison, der vor dem Gesetz als überzeugter Terrorist gilt, obwohl an seiner Überzeugung inzwischen berechtigte Zweifel bestehen. Jetzt leitet er ein Kulturfestival, das dieses trostlose Viertel von Belfast derart zum Leben erweckt hat, wie man es von keinem anderen Ort der Welt kennt. An den Fenstern der Rock Bar hingen noch die stählernen Rolläden aus der Zeit, als Brandbomben in die Pubs geschleudert wurden. Drinnen drängten sich die Leute, es gab nur Platz zum Stehen. Gerry Adams war da, lauschte Dichtern und Sängern und dem Gospelchor von Andersonstown.
...
Der Ansturm kultureller Energie bei den Nationalisten ist leicht zu erklären: sie waren so lange benachteiligt, dass sie die Hoffnung auf bessere Zeiten fast aufgegeben hatten. Sie konnten nicht mehr warten, bis der Staat Nordirland ihnen ein paar bescheidene Möglichkeiten gewährte. Deshalb verlegten sie sich auf Bildung, auf Selbstvervollkommnung, auf die Entwicklung von Zukunftsperspektiven in eigener Regie. Es ist bekannt, dass die republikanischen Gefangenen in den Zellen der H-Blocks anfingen, sich selbst weiterzubilden und dann Kurse an Fernuniversitäten belegten.
...
Abends begleitet Danny Morrison mich zum Andersonstown Leisure Centre. ... Drinnen herrschte ein Höllenlärm. Die Menschen sassen an langen Tischen und tranken Bier aus Plastikbechern. Frauen standen spontan auf und tanzten mit nostalgischer Hingabe zu den Klängen von "Waterloo". Sie alle waren gekommen, um einer ABBA-Revival-Band zu lauschen. Und ganz vorn, dicht an der Bühne, waren lange Tische für Protestanten aus der Shankill Road reserviert. Die warteten auf die Queen-Revival-Band, die im Anschluss an ABBA auftreten sollte. Freddie Mercury hatte sie hergelockt. Und vielleicht ist es diese Umgebung in der sich die wirkliche Versöhnung ereignet, seit jeher. ...

Konfliktlösung und Bürgerrechte

Das West Belfast Festival ist ein durch und durch politisches Festival, das den Prozess der Konfliktlösung unterstützt. Es ist ein Erbe der Bürgerrechtsbewegung, die im Apartheid-Staat Nordirland Ende der 60er Jahre für Bürgerrechtsforderungen und Menschenrechte auf die Strasse ging: für gleiches Wahlrecht, für ein Ende der Diskriminierung bei Arbeits- und Wohnungssuche, für Gerechtigkeit und Menschenwürde.

Das Festival startete Ende der 80er Jahre in einer Zeit, in der Grossbritannien seinen "schmutzigen Krieg" in Nordirland mit brutaler Härte führte. Sonderkommandos der britischen Armee erschossen gezielt Personen, die sie verdächtigten, irisch-republikanische Aktivisten zu sein. "Shoot to kill" Politik wurde der offizielle Name dieser Hinrichtungen. Im Nachhinein wurde die britische Regierung deswegen vom europäischen Gerichtshof für schuldig befunden, das elementare "Recht auf Leben" verletzt zu haben. Im Jahre 1987 schmuggelten britische Agenten Waffen aus dem damaligen Apartheidsregime Südafrika ins Land, um die pro-britischen, unionistischen Killerkommandos mit neuester Waffentechnologie auszurüsten. Auch der Angriff des pro-britischen Killers Michael Stone auf eine Beerdigung in West Belfast fällt in diese Zeit.

In dieser emotional aufgeladenen Situation dem Widerstand ein anderes Gesicht zu geben, ihn zu verknüpfen mit der Diskussion um ein Ende von Unterdrückung und Krieg, war die Grundidee, aus der 1988 das West Belfast Festival entstand. Es ist die selbstbewusste Antwort eines Stadtviertels, das ein früherer britischer Nordirlandminister mit der abschätzigen Arroganz eines Kolonialverwalters als "terrorist community" diffamiert hatte.

Wir laden ein: Teilnahme an unserer Delegation

Wir laden auch dieses Jahr Interessierte ein, uns nach Belfast zu begleiten.

Das Programm:

  • Teilnahme am Westbelfast Festival "Feile an Phobail" und am "Ard Eoin Fleadh" (Ardoyne Festival) im Norden Belfasts.
  • Besuch von Community-Gruppen auf der irisch-republikanischen und auf der pro-britischen unionistischen Seite. Teile dieses Programms organisieren wir im Rahmen der "Irish Political Tours" gemeinsam mit Coiste na n-Iarchimi, der Dachorganisation der irisch-republikanischen ehemaligen Gefangenen (s. Webseite: http://www.coiste.ie/politicaltours/ ).
  • Wir diskutieren mit Politikern der irisch-republikanischen Partei Sinn Féin und der pro-britischen, unionistischen DUP die Entwicklung im Friedensprozess.
  • Wie bereits im letzten Jahr werden einige Programmteile gemeinsam mit der britischen Gruppe Troops Out Movement (TOM) durchgeführt. TOM setzt sich seit der Gründung in den 70er Jahren für ein Ende der britischen Herrschaft in Nordirland und das Selbstbestimmungsrecht der Iren ein.
    Programmwünsche integrieren wir nach Möglichkeit. Da wir die Gespräche offen und möglichst direkt gestalten wollen, ist die Teilnehmerzahl auf maximal 10-12 Personen beschränkt.

    Reiseplanung und Unterkunft:

    Die Delegation findet statt von

    Montag, den 6. August 2007 (morgens) - Freitag, den 10. August 2007 (nachmittags).

    An- und Abreise nach Belfast wird von den Teilnehmern individuell organisiert. Wir stehen jedoch gerne mit Tipps für die Reise zur Seite. Wir organisieren auf Wunsch die Unterkunft als Übernachtung mit Frühstück (B&B) direkt in West Belfast, die Leute im Viertel stellen während des Festivals Zimmer zur Verfügung. Der Preis beträgt pro Nacht ca. GBP 18, also ca. EUR 27.

    Das Festival endet am Sonntag, den 12. August. An diesem Tag findet auch eine Abschlussdemonstration statt. Für das letzte Wochenende des Festivals sind ausserdem Musikhöhepunkte vorgesehen. Wir empfehlen daher, im Anschluss an die Delegation noch bis zum Ende des Festivals in Belfast zu bleiben.

    Kosten:

    Für die Unterstützung bei Planung und Organisation gehen EUR 30,00 pro Person an das Coiste "Irish Political Tours"-Programm. Ansonsten entstehen keine weiteren Kosten für die Planung und Leitung der Delegation.

    Die Teilnehmer tragen ihre Kosten (Flug, B&B, Verpflegung, Eintritt für die grossen Musik-Events des Festivals, die meisten Veranstaltungen des Festivals sind frei) selbst.

    Was wir von Euch erwarten:

    Teilnahme an den Treffen, die wir speziell für unsere Delegation organisieren, ist selbstverständlich. Ansonsten ist die Teilnahme an den Veranstaltungen des Festivals jedem/jeder selbst überlassen. Hier gibt es keinen Gruppenzwang, sondern ein loses Miteinander nach den eigenen Schwerpunkten und typischerweise immer wieder den gemeinsamen Besuch des ein oder anderen Pubs.

    Ein Reisebericht zur Veröffentlichung auf unseren Webseiten wäre wünschenswert. Reiseberichte früherer Delegationen sind über unsere Webseiten zugänglich:

    http://archiv.info-nordirland.de/
    s. Aktivitäten

    http://www.irlandinit-hd.de/
    s. Delegationen

    Das Festival hat eine eigene Webseite http://www.feilebelfast.com/august/ , auf der man das Programm als PDF herunterladen kann. Im Moment findet sich dort noch das Programm von 2006.

    Anmeldung:

    Die Aufnahme in die Delegation erfolgt nach Absprache. Interesse an der Situation in Nordirland setzen wir voraus. Vorkenntnisse sind nicht nötig. Teilnehmer sollten in der Lage sein, englischsprachigen Diskussionen zu folgen.

    Anmeldung bitte bei:

    Uschi Grandel, Holzhaussiedlung 15, 84069 Schierling
    Tel.: 09451.949859
    email: delegation@info-nordirland.de
    http://archiv.info-nordirland.de/