Die deutsche Irlandsolidarität ruft auf:

Delegation zum West Belfast Festival

Nordirland, Belfast, 30. Juli - 8. August 2004

Seit 1988 verwandelt sich das irisch-republikanische West Belfast jedes Jahr in der ersten Augustwoche in eine bunte Mischung aus Stadtviertelfesten, internationalem Kultur- und Musikprogramm mit Künstlern aus aller Welt und politischen Veranstaltungen zur Konfliktlösung im eigenen Land und international.

Der prominenteste Redner des letztjährigen Festivals war sicher Michael Moore, dessen Open Air Auftritt innerhalb von Stunden ausverkauft war. Internationaler Höhepunkt war die Veranstaltung mit Dr. Barghouti, einem der führenden palestinensischen Politiker. Die israelische Regierung hatte seine Ausreise verboten, so wurde die Veranstaltung dem Ausreiseverbot zum Trotz per Live-Videoschaltung nach Ramallah durchgeführt.

Eine Grossdemonstration gegen Collusion beendete das Festival. Mit Collusion bezeichnet man die planmässige Zusammenarbeit britischer Stellen mit pro-britischen, unionistischen Killerkommandos, die während des Konflikts hunderte Menschen das Leben kostete. Tausende zogen in einem Sternmarsch aus den irischen Vierteln Belfasts, aus Westbelfast, aus Ardoyne und New Lodge in Nordbelfast und aus Short Strand in Ostbelfast vor die City Hall in der Belfaster Stadtmitte, um Aufklärung und ein Ende dieser Methoden des verborgenen Staatsterrorismus zu fordern.

Konfliktlösung und Bürgerrechte

Das West Belfast Festival ist ein durch und durch politisches Festival, das den Prozess der Konfliktlösung unterstützt und dem Staatsterror in Nordirland und weltweit mit viel Selbstbewusstsein den Kampf angesagt hat. Es ist ein Erbe der Bürgerrechtsbewegung, die im Apartheid-Staat Nordirland Ende der 60er Jahre für Bürgerrechtsforderungen und Menschenrechte auf die Strasse ging: für gleiches Wahlrecht, für ein Ende der Diskriminierung bei Arbeits- und Wohnungssuche, für Gerechtigkeit und Menschenwürde.

Ende der 80er Jahre führte Grossbritannien seinen "schmutzigen Krieg" in Nordirland mit brutaler Härte. 1987 schmuggelten britische Agenten Waffen (aus dem damaligen Apartheidsregime in Südafrika) ins Land zur Ausrüstung der unionistischen Killer. Britische Sonderkommandos erschossen gezielt Personen, die sie verdächtigten, irisch-republikanische Aktivisten zu sein. "Shoot to kill" Politik wurde der offizielle Name dieser Hinrichtungen. Im Nachhinein wurde die britische Regierung deswegen vom europäischen Gerichtshof für schuldig befunden, das elementare "Recht auf Leben" verletzt zu haben. In dieser emotional aufgeladenen Situation dem Protest gegen britischen und unionistischen Terror ein anderes Gesicht zu geben, ihn zu verknüpfen mit der Diskussion um ein Ende von Unterdrückung und Krieg, war die Grundidee, aus der 1988 das Westbelfast Festival entstand. Es ist die selbstbewusste Antwort eines Stadtviertels, das ein früherer britischer Nordirlandminister mit der abschätzigen Arroganz eines Kolonialverwalters als "terrorist community" diffamiert hatte.

Auch sechs Jahre nach Unterzeichnung des Karfreitagsabkommens hat der politische (pro-britische) Unionismus immer noch nicht verwunden, dass die Zeiten vorbei sind, in der seine despotische Ein-Parteienherrschaft mit nordirischem Polizeiknüppel, britischer Armee und paramilitärischen Gewaltorgien aufrechterhalten wird. Dass die Polizei immer noch durch und durch korrumpiert ist und ein demokratischer Umbau des Landes dringend erforderlich ist, zeigt die derzeitige Krise. Sie nahm ihren Anfang im Oktober 2002 mit einer Art polizeilich inszeniertem Staatsstreich, dessen Ergebnis die Suspendierung der gewählten Regionalregierung Nordirlands durch die britische Regierung war. In einer gewaltigen Polizeiaktion wurden Häuser von irischen Republikanern durchsucht. Ein Grossaufgebot an gepanzerten Polizeifahrzeugen fuhr vor dem Regionalparlament auf, um eine Razzia in den Büroräumen der Sinn Fein Abgeordneten im Parlamentsgebäude durchzuführen. Der Büroleiter von Sinn Fein, sein Schwiegersohn und einige weitere Personen wurden verhaftet. Die Aktion diente angeblich der Zerschlagung eines Spionagerings der IRA. Im Dezember 2003 wurden heimlich still und leise die Hauptanklagepunkte gegen die Angeklagten fallengelassen - ohne Begründung und ohne Prozess. Es entbehrt nicht der Ironie und zeigt das wahre Gesicht des "schmutzigen Krieges", dass die britischen verantwortlichen Stellen beim Erfinden des IRA-Spionagerings auf die eigene Erfahrung zurückgreifen konnten: die kriminelle Spionagetätigkeit der britischen Regierung gegen den UN Generalsekretär Kofi Annan, die von Claire Short Anfang März dieses Jahres enthüllt wurde.

Wir laden ein: Teilnahme an unserer Delegation

Wir laden auch dieses Jahr Interessierte ein, uns nach Belfast zu begleiten.

Das Programm:

  • Teilnahme am Westbelfast Festival "Feile an Phobail" und am "Ard Eoin Fleadh" (Ardoyne Festival) im Norden Belfasts.
  • Besuch von Community-Gruppen auf der irisch-republikanischen und auf der pro-britischen unionistischen Seite. Diesen Teil des Programms organisieren wir im Rahmen des Programms "Irish Political Tours" gemeinsam mit Coiste na n-Iarchimi, der Dachorganisation der irisch-republikanischen ehemaligen Gefangenen.
  • Wir diskutieren mit Politikern der irisch-republikanischen Partei Sinn Féin, wie der Friedensprozess wieder in Fahrt kommen kann, wie wir in Europa dies unterstützen können.
  • Wie bereits im letzten Jahr werden Teile des Programms gemeinsam mit der britischen Gruppe Troops Out Movement (TOM) durchgeführt. TOM setzt sich seit der Gründung in den 70er Jahren für ein Ende der britischen Herrschaft in Nordirland und das Selbstbestimmungsrecht der Iren ein.
  • Wenn Du/Sie bestimmte Programmwünsche hast, integrieren wir diese nach Möglichkeit

    Reiseplanung und Unterkunft:

    Die Delegation findet statt von

    Sonntag, den 1. August 2004 (abends) - Freitag, den 6. August 2004 (abends).

    An- und Abreise nach Belfast wird von den Teilnehmern individuell organisiert. Wir stehen jedoch gern mit Tips für Flüge zur Seite. Wir organisieren (auf Wunsch) die Unterkunft in Westbelfast als Übernachtungen mit Frühstück (B&B) bei Westbelfastern, die Zimmer während des Festivals zur Verfügung stellen. Der Preis beträgt pro Nacht ca. GBP 15, also ca. EUR 23.

    Das Festival endet am 8. August, an dem auch die Abschlussdemonstration stattfindet. Für das letzte Wochenende des Festivals sind Musikhöhepunkte vorgesehen. Wir empfehlen daher, im Anschluss an die Delegation noch bis zum Ende des Festivals in Belfast zu bleiben.

    Kosten:

    Für die Unterstützung bei Planung und Organisation gehen EUR 30,00 pro Person an das Coiste "Irish Political Tours"-Programm. Ansonsten entstehen keine weiteren Kosten für die Planung und Leitung der Delegation.

    Die Teilnehmer tragen ihre Kosten (Flug, B&B, Verpflegung, Eintritt für die grossen Musik-Events des Festivals, die meisten Veranstaltungen des Festivals sind frei) selbst.

    Ablauf und Verpflichtungen:

    Das Rahmenprogramm, das wir speziell für unsere Delegation organisieren, wird von der Delegation gemeinsam durchgeführt. Ansonsten nehmen die Teilnehmer an den Veranstaltungen des Festivals teil, die ihnen am meisten zusagen (hier gibt es keinen Gruppenzwang, sondern ein loses Miteinander nach den eigenen Schwerpunkten). Ein Reisebericht zur Veröffentlichung auf unseren Webseiten wäre wünschenswert.

    Reiseberichte früherer Delegationen sind über unsere Webseiten zugänglich:

    http://archiv.info-nordirland.de/
    s. Aktivitäten

    http://www.irlandinit-hd.de/
    s. Delegationen

    Voraussetzungen:

    Die Aufnahme in die Delegation erfolgt nach Absprache. Es sollte Interesse am Nordirlandkonflikt vorhanden sein, Vorkenntnisse sind nicht nötig. Teilnehmer sollten in der Lage sein, englischsprachigen Diskussionen folgen zu können.

    Anmeldung bei:

    Uschi Grandel, Holzhaussiedlung 15, 84069 Schierling
    Tel.: 09451.949859, email: uschi@info-nordirland.de
    http://archiv.info-nordirland.de/