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Buchbesprechung:

Dominik Bartels:
Black Taxi

Roman, März 2006

Link zur Webseite des Autors

Von Uschi Grandel, 30. April 2007

Dominic Bartels hat mit "Black Taxi" einen Roman über Nordirland in den Jahren des Konflikts geschrieben. Der Roman spielt in Belfast einige Jahre vor dem Waffenstillstand der IRA im Jahre 1994, der den Weg zum Karfreitagsabkommen von 1998 und zum Durchbruch im Friedensprozess im März 2007 ermöglichte.

Ich habe mich über das Buch sehr gefreut. Es ist überaus positiv, einen Roman in deutscher Sprache über den Nordirlandkonflikt in Händen zu halten, der nicht die üblichen düsteren Terrorismus-Klischees bedient, sondern sich auf die Seite der Menschen stellt, die in Nordirland von Staat, Armee und Polizei diskriminiert und marginalisiert wurden.

Aus meiner Sicht ist die Stärke des Buches die Beschreibung der Personen, die irisch-republikanische Familie und auch die lockeren Uni-Typen, die den Konflikt im Land weitgehend verdrängen und aus ihrem Leben ausklammern. Auch die Beschreibung des Terrors und der Willkür, mit der Polizei und Armee gegen die Bewohner der irischen Viertel während des Konflikts vorgegangen sind, ist sehr plastisch und gut.

Die Personen sind liebenswert und realistisch, das Buch ist interessant zu lesen und auf jeden Fall empfehlenswert.

Einige Kleinigkeiten stören mich. Es wäre nicht nötig gewesen, den unsäglichen Horror, den die Grundschülerinnen der Holy Cross Schule in Ardoyne im Jahr 2001 auf ihrem Weg in die Schule durch das pro-britsche Viertel Glenbryn erdulden mussten, aus dem historischen Kontext zu nehmen und einfach in die Zeit der Troubles vor dem Karfreitagsabkommen zu verlegen. Während der Troubles wäre Holy Cross vermutlich nicht in dieser Form passiert. Die Angst vor der IRA hätte eine solch offene Hassdemonstration unterbunden.

Es hätte der Episode im Buch und auch der historischen Genauigkeit mehr genutzt, eine der vielen republikanischen Beerdigungen zu beschreiben, in denen die Polizei mit massiver Gewalt gegen die Trauergäste vorging und die als "battle of the funerals" in die Geschichte eingegangen sind.

In einem Roman ist alles erlaubt, aber ich bin kein Fan des "Schiffsprojekts", eines der Höhepunkte des Buches. Am meisten stört mich daran, dass die Initiative den Menschen in Belfast aus der Hand genommen wird und zwei Fremde von aussen Konfliktlösung organisieren. Seite 58 des Buches fasst dies gut zusammen:
"Man muss diesen Menschen eine Perspektive bieten, man muss eine Vision entwickeln und man muss sie aus der Armut befreien. ... So etwas ist der ideale Nährboden für Vorurteile und Hass. ..."
Die nordirischen katholischen Arbeiterviertel haben einer der mächtigsten, hochgerüstetsten Mächte - Grossbritannien - über Jahrzehnte die Stirn geboten. Im Laufe des Konflikts hat sich in diesen irisch-republikanischen Vierteln eine Bevölkerung mit hohem politischem Bewusstsein, sozialer Verantwortung und Eigeninitiative herausgebildet, von der wir auch heutzutage eine Menge lernen können. Gerade in West Belfast, dem Viertel, in dem ein Grossteil der Geschichte spielt, haben Community-Aktivisten in vielen Projekten ihre Vision eines gleichberechtigten Lebens umgesetzt. Sie haben dabei oft auch die von den staatlichen Stellen, den Oranierorden, den pro-britischen Parteien mit anti-katholischen und anti-irischen Hasstiraden aufgehetzten, protestantischen Nachbarn einbezogen. Ein übergreifendes Frauennetzwerk, aus West Belfast heraus gegründet, existiert bereits seit Mitte der 70er Jahre. Relatives for Justice oder das Pat Finucane Centre vertreten schon lange nicht nur die katholischen Opfer staatlichen Terrors, sondern auch dessen Opfer aus den protestantischen, pro-britischen Vierteln.

Als visionäres Konfliktlösungsprojekt für den Roman hätte ich mir den Start des West Belfast Festivals gewünscht. Das Festival startete 1988, also in einer Zeit, in der Großbritannien seinen "schmutzigen Krieg" in Nordirland mit brutaler Härte führte. In dieser emotional aufgeladenen Situation dem Widerstand ein anderes Gesicht zu geben, ihn zu verknüpfen mit der Diskussion um ein Ende von Unterdrückung und Krieg, war die Grundidee des Festivals. Es war die selbstbewusste Antwort West Belfasts, das ein früherer britischer Nordirlandminister mit der abschätzigen Arroganz eines Kolonialverwalters einst als "terrorist community" diffamierte.

Das Festival existiert heute noch, verbindet alle Aspekte von Politik, Kultur und Musik, bietet Gelegenheit zu Debatten, aber auch Vergnügungshighlights. Es feiert die Kreativität seiner Bevölkerung und sucht gleichzeitig den Dialog mit den pro-britischen Vierteln. "West Belfast Talks Back" entstand daraus, eine Veranstaltung, zu der seit 1988 Repräsentanten quer über das politische Spektrum geladen werden, die den Zuhörern Rede und Antwort stehen.

Im Roman damit an die Wirklichkeit des Konfliktlösungsprozesses anzuknüpfen und zur Gegenwart des Friedensprozesses überzuleiten, wäre das Sahnehäubchen gewesen. Fortschritt im irischen Friedens- und Konfliktlösungsprozess wird allzuoft dadurch behindert, dass viele dem britischen Propagandamärchen der verfeindeten Katholiken und Protestanten auf den Leim gehen. Es ist sehr schade, dass das sonst wirklich gut geschriebenes Buch dieser Sichtweise nicht energischer entgegentritt.

Ein allerletzter Punkt, der in einer nächsten Auflage leicht zu korrigieren wäre: der Titel des Buches "Black Taxi" ist wunderschön gewählt. Die Black Taxis symbolisieren so hervorragend die intelligente Gegenwehr der irischen Viertel. Ins Leben gerufen wurde dieses Sammeltaxisystem in West Belfast, als die städtischen Behörden den öffentlichen Verkehr in den irischen Vierteln Anfang der 70er Jahre einstellten. Die Menschen sollten für ihre Aufsässigkeit bestraft und aus der Innenstadt ferngehalten werden. Gemeinschaftsfahrten der wenigen Autobesitzer waren die Antwort, aus der die West Belfast Taxi Association entstand, die heute allein in Belfast etwa 700 Taxifahrer- und Fahrerinnen beschäftigt. Eine Widmung an die Black Taxi Fahrer, die ihren Dienst für die Community während der Troubles oft mit Anschlägen auf die Taxis und einige auch mit dem Leben bezahlen mussten, wäre eine gute Ergänzung zum Titel.

Es gibt hierzu ein wunderschönes Mural in Belfast:


© Tony Crowley, Ardoyne 2001, http://ccdl.libraries.claremont.edu/u?/mni,105

Wie bereits oben angemerkt, ist der Roman Black Taxi ein spannendes und lesenswertes Buch. Es ist über die Webseite des Autors oder auch über Amazon zu erhalten.


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