Buchbesprechung:
Dominik Bartels:
Black Taxi Roman, März 2006 Link zur Webseite des Autors |
"Man muss diesen Menschen eine Perspektive bieten, man muss eine Vision entwickeln und man muss sie aus der Armut befreien. ... So etwas ist der ideale Nährboden für Vorurteile und Hass. ..."Die nordirischen katholischen Arbeiterviertel haben einer der mächtigsten, hochgerüstetsten Mächte - Grossbritannien - über Jahrzehnte die Stirn geboten. Im Laufe des Konflikts hat sich in diesen irisch-republikanischen Vierteln eine Bevölkerung mit hohem politischem Bewusstsein, sozialer Verantwortung und Eigeninitiative herausgebildet, von der wir auch heutzutage eine Menge lernen können. Gerade in West Belfast, dem Viertel, in dem ein Grossteil der Geschichte spielt, haben Community-Aktivisten in vielen Projekten ihre Vision eines gleichberechtigten Lebens umgesetzt. Sie haben dabei oft auch die von den staatlichen Stellen, den Oranierorden, den pro-britischen Parteien mit anti-katholischen und anti-irischen Hasstiraden aufgehetzten, protestantischen Nachbarn einbezogen. Ein übergreifendes Frauennetzwerk, aus West Belfast heraus gegründet, existiert bereits seit Mitte der 70er Jahre. Relatives for Justice oder das Pat Finucane Centre vertreten schon lange nicht nur die katholischen Opfer staatlichen Terrors, sondern auch dessen Opfer aus den protestantischen, pro-britischen Vierteln. Als visionäres Konfliktlösungsprojekt für den Roman hätte ich mir den Start des West Belfast Festivals gewünscht. Das Festival startete 1988, also in einer Zeit, in der Großbritannien seinen "schmutzigen Krieg" in Nordirland mit brutaler Härte führte. In dieser emotional aufgeladenen Situation dem Widerstand ein anderes Gesicht zu geben, ihn zu verknüpfen mit der Diskussion um ein Ende von Unterdrückung und Krieg, war die Grundidee des Festivals. Es war die selbstbewusste Antwort West Belfasts, das ein früherer britischer Nordirlandminister mit der abschätzigen Arroganz eines Kolonialverwalters einst als "terrorist community" diffamierte. Das Festival existiert heute noch, verbindet alle Aspekte von Politik, Kultur und Musik, bietet Gelegenheit zu Debatten, aber auch Vergnügungshighlights. Es feiert die Kreativität seiner Bevölkerung und sucht gleichzeitig den Dialog mit den pro-britischen Vierteln. "West Belfast Talks Back" entstand daraus, eine Veranstaltung, zu der seit 1988 Repräsentanten quer über das politische Spektrum geladen werden, die den Zuhörern Rede und Antwort stehen. Im Roman damit an die Wirklichkeit des Konfliktlösungsprozesses anzuknüpfen und zur Gegenwart des Friedensprozesses überzuleiten, wäre das Sahnehäubchen gewesen. Fortschritt im irischen Friedens- und Konfliktlösungsprozess wird allzuoft dadurch behindert, dass viele dem britischen Propagandamärchen der verfeindeten Katholiken und Protestanten auf den Leim gehen. Es ist sehr schade, dass das sonst wirklich gut geschriebenes Buch dieser Sichtweise nicht energischer entgegentritt. Ein allerletzter Punkt, der in einer nächsten Auflage leicht zu korrigieren wäre: der Titel des Buches "Black Taxi" ist wunderschön gewählt. Die Black Taxis symbolisieren so hervorragend die intelligente Gegenwehr der irischen Viertel. Ins Leben gerufen wurde dieses Sammeltaxisystem in West Belfast, als die städtischen Behörden den öffentlichen Verkehr in den irischen Vierteln Anfang der 70er Jahre einstellten. Die Menschen sollten für ihre Aufsässigkeit bestraft und aus der Innenstadt ferngehalten werden. Gemeinschaftsfahrten der wenigen Autobesitzer waren die Antwort, aus der die West Belfast Taxi Association entstand, die heute allein in Belfast etwa 700 Taxifahrer- und Fahrerinnen beschäftigt. Eine Widmung an die Black Taxi Fahrer, die ihren Dienst für die Community während der Troubles oft mit Anschlägen auf die Taxis und einige auch mit dem Leben bezahlen mussten, wäre eine gute Ergänzung zum Titel. Es gibt hierzu ein wunderschönes Mural in Belfast: